Krankmachende Proteinfasern abbauen

ETH-Forschende haben einen neuen Mechanismus gefunden, mit dem sich Hirnzellen vor Proteinanh?ufungen schützen. Die Anh?ufungen spielen eine Rolle bei der Parkinson-Krankheit und weiteren neurodegenerativen Leiden. Darauf aufbauend liessen sich nun neue Therapieans?tze entwickeln.

Nervenzelle
Anh?ufungen des Proteins Alpha-Synuclein (rot) in Nervenzellen sind typisch für die Parkinsonkrankheit. (Grafik: Shutterstock)

Anh?ufungen des Proteins Alpha-Synuclein in den Nervenzellen des Gehirns spielen eine wichtige Rolle bei der Parkinson-Krankheit und bei weiteren neurodegenerativen Krankheiten. Es gibt Hinweise, dass solche Proteinanh?ufungen von Nervenzelle zu Nervenzelle wandern k?nnen, was zum Fortschreiten der Krankheit führt. Ein Forscherteam unter der Leitung von ETH-Wissenschaftlern hat diesen Transport nun untersucht und dabei herausgefunden, wie der K?rper die sch?dlichen Anh?ufungen beseitigen kann. Die Erkenntnis er?ffnet neue Ans?tze für die Therapie von neurodegenerativen Krankheiten.

Krankheitsrelevant sind lange Fasern (Fibrillen), zu denen sich eine Vielzahl von Alpha-Synuclein-Molekülen zusammenlagern k?nnen. Die einzelnen, nicht zusammengelagerten Alpha-Synuclein-Moleküle hingegen sind für die Funktion des gesunden Hirns zentral: Das Protein spielt eine wichtige Rolle bei der Ausschüttung des Neurobotenstoffs Dopamin in den Synapsen von Nervenzellen. Lagert sich das Protein in Nervenzellen von Patienten zu Fibrillen zusammen, wozu es zun?chst seine dreidimensionale Form ?ndern muss, kann es diese Funktion nicht mehr wahrnehmen. Ausserdem sind die Fibrillen für die Nervenzellen toxisch. Dopaminproduzierende Zellen sterben, es kommt im Gehirn zu einer Dopamin-Unterversorgung und als Folge davon zu den für die Parkinson-Krankheit typischen Symptomen wie dem Muskelzittern.

Alpha-Synuclein-Fibrillen
Alpha-Synuclein-Fibrillen. Hier solche, die zu Forschungszwecken im Labor hergestellt wurden in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme. Der Durchmesser der Fibrillen betr?gt rund 10 Nanometer – 5000-mal weniger als jener eines menschlichen Haars. (Bild: ETH Zürich / Juan Gerez)

Abbaumechanismus entschlüsselt

In Zellkulturexperimenten zeigten die Forschenden, dass es die Alpha-Synuclein-Fibrillen sind, welche von gesunden Zellen aufgenommen werden und sich in diesen anh?ufen. ?Nachdem die Fibrillen in eine neue Zelle gelangt sind, rekrutieren sie dort weitere Alpha-Synuclein-Moleküle, welche ihre Form ?ndern und sich anlagern. Man nimmt an, dass die Fibrillen auf diese Wiese Zelle um Zelle und mit der Zeit ganze Hirnregionen infizieren?, erkl?rt Paola Picotti, Professorin für die Biologie von Proteinnetzwerken an der ETH Zürich. Sie konzipierte die Studie, die Juan Gerez, ein ehemaliger Postdoktorand in ihrer Gruppe, leitete und in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins externe Seite Science Translational Medicine ver?ffentlichte.

Ausserdem konnten die Wissenschaftler der ETH Zürich, des Universit?tsspitals Zürich und der Universit?t von Kalifornien in San Diego einen zellul?ren Mechanismus entschlüsseln, mit dem Alpha-Synuclein-Fibrillen natürlicherweise abgebaut werden. Es handelt sich dabei um einen als SCF bezeichneten Proteinkomplex, der die Alpha-Synuclein-Fibrillen spezifisch erkennt und sie einem bekannten zellul?ren Abbaumechanismus zuführt. Auf diese Weise wird die Ausbreitung der Fibrillen blockiert, wie die Wissenschaftler in Versuchen bei M?usen zeigen: Schalteten die Forschenden die Funktion von SCF aus, wurden die Alpha-Synuclein-Fibrillen den Nervenzellen n?mlich nicht mehr abgebaut. Stattdessen h?uften sie sich in den Zellen an und breiteten sich im Gehirn aus.

Stammzell- oder Gentherapie

Picotti und Gerez sehen M?glichkeiten, wie dieser SCF-Abbaumechanismus therapeutisch genutzt werden kann. ?Je aktiver der SCF-Komplex ist, desto st?rker werden die Alpha-Synuclein-Fibrillen abgebaut, was dem Fortschreiten von neurodegenerativen Krankheiten entgegenwirken k?nnte?, sagt Gerez. Der SCF-Komplex sei sehr kurzlebig und zerf?llt innerhalb von Minuten. In therapeutischen Ans?tzen gehe es einerseits darum, diesen Komplex zu stabilisieren, und andererseits, seine F?higkeit zu erh?hen, mit Alpha-Synuclein-Fibrillen zu wechselwirken. Dazu k?nnten zum Beispiel Medikamente entwickelt werden.

Ein weiterer Ansatz, Parkinsonpatienten zu helfen, sei die Transplantation von Nerven-Stammzellen ins Gehirn von Patienten, erkl?rt Picotti. Bisherige Versuche seien wenig erfolgreich gewesen, weil die gesunden Zellen im Gehirn wiederum von Alpha-Synuclein-Fibrillen infiziert worden seien. ?Wenn es uns gelingt, die Stammzellen so zu ver?ndern, dass sie keine Fibrillen aufnehmen oder aufgenommene Fibrillen sofort wieder abbauen, k?nne dies die Stammzelltherapie entscheidend voranbringen?, sagt die ETH-Professorin. Und schliesslich k?nnte auch mittels Gentherapie versucht werden, in Nervenzellen den SCF-Komplex zu stabilisieren und damit seine Aktivit?t zu erh?hen. ?Was m?gliche Therapien angeht, stehen wir jedoch noch ganz am Anfang?, betont Gerez. ?Und ob sich eine wirksame Therapie entwickeln l?sst, ist noch nicht klar.?

Literaturhinweis

Gerez et al.: A cullin-RING ubiquitin ligase targets exogenous alpha-synuclein and inhibits Lewy body-like pathology. Science Translational Medicine 2019: eaau6722, doi: externe Seite 10.1126/scitranslmed.aau6722

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