Warum Blockchain bei Konfliktmineralien nicht hilft

Der Abbau von Konfliktmineralien, die sich in jedem Mobiltelefon finden, braucht mehr Transparenz. Doch mittels Blockchain l?sst sich das Problem nicht l?sen, sagt Fritz Brugger.

Fritz Brugger

Es gibt dieser Tage keine Podiumsdiskussion, welche die Blockchain-Technologie nicht als L?sung für viele Entwicklungsprobleme handelt. Ein besonderes Anliegen ist die Rückverfolgbarkeit von Mineralien. Das soll verhindern, dass Rohstoffe Konflikte und Kinderarbeit bef?rdern1.

Ruanda hat kürzlich das erste Tracking-System auf Basis dieser dezentralen Buchführungstechnik lanciert, um den Weg des Metalls Tantal von der Mine bis zum Telefon zu verfolgen2. Die Regierung m?chte Mutmassungen widerlegen, dass ruandische Rohstoffe mit geschmuggelten Konfliktmineralien aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo vermischt seien. Der Rohstoffkonzern Anglo American will Edelsteine mittels Blockchain rückverfolgen; andere nehmen Gold ins Visier. Doch es gibt gute Gründe zu bezweifeln, dass Blockchain den hohen Erwartungen gerecht wird.

Wolfram
Woher geneau kommen Mineralien? Im Bild: Wolfram. (Bild: iStock / reporter)

Gesucht: Verfolgbarkeit und Vertrauen

Hier das Versprechen: Mineralien wie Tantal oder Gold stammen aus industriellen oder handwerklichen Minen, die oft Kinder besch?ftigen und kriminelle Gruppen finanzieren. Das gef?rderte Erz wird an H?ndler oder direkt an eine Schmelzanlage verkauft und von dort weiter an Verarbeiter und Verbraucher. Dabei wird das Erz entweder beim Kauf ab Mine durch den H?ndler oder durch die Schmelzerei auf einer Blockchain registriert. Dass die verteilte Buchführung nicht einseitig ver?ndert werden kann – also nicht ohne Konsens aller anderen Teilnehmer –, schafft Rückverfolgbarkeit und Vertrauen, ohne Kontrolle einer zentralen Institution.

Doch die Annahme, die Blockchain k?nne verhindern, dass Mineralien aus illegalen Quellen in formale Wertsch?pfungsketten einfliessen, ist falsch. Da die Sicherheits- und Konsensverfahren nur für ?zugelassene? Akteure innerhalb der Blockchain gelten, lautet die Schlüsselfrage: Wie erfolgt die Verifizierung an der ?Pforte?, also am Punkt, an dem das Erz registriert wird und in den ?sicheren Raum? der Blockchain gelangt? Wie werden die Teilnehmer identifiziert? Welcher Prozess kontrolliert, woher die Mineralien stammen? Mit anderen Worten: Wie macht man das System vertrauenswürdig?

Das kritische erste Glied der Kette

Circulor, der britische Blockchain-Partner im ruandischen Fall, setzt auf Gesichtserkennung des Verk?ufers und GPS-Ortung3, um das Erz für die Blockchain zu registrieren und Betrug zu verhindern. Das garantiert, dass der Verk?ufer bekannt und ein Mitglied des Systems ist. An den Sack mit dem Erz wird dann ein RFID-Etikett geheftet, das ebenfalls gescannt wird. Dieser Ansatz garantiert jedoch nicht, dass das verkaufte Erz aus legitimen Quellen stammt. Der Umstand, dass man den Verk?ufern vertrauen muss, untergr?bt die Sicherheit des Systems.

?Heute steht die Blockchain kurz vor dem H?hepunkt des Hype-Zyklus neuer Technologien mit überh?hter Erwartung.?Fritz Brugger

Die Verifizierung h?ngt also von der Vertrauenswürdigkeit des Verk?ufers ab. Die Blockchain kann die Sicherheit dieses entscheidenden ersten Schrittes nicht erh?hen. Weder Gesichtsscanning noch GPS-Ortung oder das RFID-Etikett k?nnen zweifelsfrei belegen, woher der ordnungsgem?ss authentifizierte Verk?ufer das Tantal hat. Es k?nnte aus einer zertifizierten Mine stammen, aber auch aus illegalen Quellen. Der Verk?ufer und die Person, welche die Registrierung vornimmt, k?nnen in missbr?uchlicher Absprache geschmuggeltes Tantal registrieren. Der technisch eingeforderte Konsens, das Herzstück der Blockchain, sichert nur Transaktionen innerhalb der Kette, also bereits erfasste Mineralien. Aber das ist hier nicht das Problem.

Rare Alternativen zum Herkunftsnachweis

Damit stellt Blockchain keinen Fortschritt gegenüber bestehenden ?Verpackungs-und-Beschriftungs-Systemen? (bag and tag) im Rohstoffsektor dar. Auch diese vertrauen einem identifizierten Verk?ufer, verwenden aber Standarddatenbanken, um den Materialfluss durch das System zu verfolgen.

Andere Ans?tze wie der analytische Fingerabdruck5 von Tantal oder die Zugabe von molekularen Markern in ?l und Gas interagieren direkt mit dem Rohmaterial. Sie k?nnen – im Gegensatz zur Blockchain – den Herkunftsnachweis erbringen, sind aber aufgrund der technologischen Anforderungen und Kosten nur für wenige Mineralien geeignet.

Ich will Blockchain nicht schlecht reden. Es gibt etliche Anwendungen, in denen die Technologie eindeutig Mehrwert bringt. Beispielsweise lassen sich im Rohstoffhandel die Transaktionskosten senken und die Transparenz erh?hen, indem Lieferanten, Logistik, Verifikation, Versicherungen und Finanzinstitute ihre Aufgaben auf derselben Plattform wahrnehmen.

Heute steht die Blockchain kurz vor dem H?hepunkt des Hype-Zyklus neuer Technologien mit überh?hter Erwartung. Die Euphorie mag helfen, Aufmerksamkeit und Geldgeber zu gewinnen –  aber nicht unbedingt, um jedes beliebige Problem zu l?sen.

Referenzen

1 OECD externe Seite Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas

2 Reuters: externe Seite Rwanda hosts first tantalum-tracking blockchain

3 Hyperledger: externe Seite Case study

4 externe Seite ITSCI.org

5 BGR Mineral Certification: externe Seite Introduction to the Analytical Fingerprint

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