Wie Atome in Nanomaterialien vibrieren

Forscherinnen und Forscher um ETH-Professorin Vanessa Wood sind mittels umfangreichen Analysen den Gittervibrationen von Nanokristallen auf die Spur gekommen. Die Erkenntnisse helfen, nanostrukturierte Materialien systematisch und gezielt weiterzuentwickeln.

Vergr?sserte Ansicht: Phonon-Interaktion
Die starken Gitterschwingungen in der Hülle von Nanokristallen sind für eine schlechtere Umwandlungseffizienz von Licht in elektrische Energie verantwortlich. (Grafik: Deniz Bozyigit / ETH Zürich)

Materialien bestehen aus Atomen, die bei Raumtemperatur vibrieren. Diese kollektiven Gitterschwingungen, auch Phononen genannt, sind für Eigenschaften wie W?rme- und Ladungstransport verantwortlich. Gitterschwingungen in Metallen, Halbleitern und Isolatoren sind heute gut erforscht. Bisher war allerdings unklar, wie sie sich in neuen, nanostrukturierten Materialien verhalten, von denen man sich bessere Displays, Sensoren, Batterien und katalytische Membranen verspricht.

Gitter schwingt stark an weichen Oberfl?chen

In einem aktuellen Fachartikel in der Zeitschrift ?Nature? zeigen ETH-Professorin Vanessa Wood und ihr Team, wie sich Gitterschwingungen in Nanopartikeln verhalten und wie dieses Wissen systematisch für die gezielte Entwicklung von nanostrukturierten Materialien verwendet werden kann.

Bei Materialien mit einer Gr?sse von weniger als 10 bis 20 Nanometern – etwa 5000 mal dünner als ein menschliches Haar – sind Schwingungen von Oberfl?chenatomen besonders ausgepr?gt und haben einen wichtigen Einfluss auf die Materialeigenschaften.

?W?hrend in Bereichen wie der Katalyse, der Thermoelektrik oder der Supraleitung solch starke Schwingungen hilfreich sein k?nnen, ist der beobachtete Effekt für andere Anwendungen wie LEDs und Solarzellen unerwünscht?, erkl?rt Wood.

Tats?chlich erkl?rt die Publikation, weshalb Solarzellen aus Nanopartikeln ihr Potential bislang noch nicht vollst?ndig aussch?pfen konnten. Durch den Vergleich von Experiment und Simulation zeigt die Forschungsgruppe, wie die Interaktion von Gitterschwingungen an der Oberfl?che mit Elektronen den Fotostrom in den Solarzellen verringert.

?Da wir nun zeigen konnten, dass Gitterschwingungen an der Oberfl?che ausserordentlich wichtig sind, k?nnen wir systematisch Materialien entwickeln, die diese unterdrücken oder verst?rken?, so Wood.

Bessere Solarzellen

Woods Forschungsgruppe arbeitet schon seit l?ngerem mit besonderen Nanomaterialien, den kolloidalen Nanokristallen. Diese Kristalle, die auch als Quantenpunkte bekannt sind, besitzen Halbleitereigenschaften und k?nnen kontrolliert mit einem Durchmesser von zwei bis zehn Nanometern synthetisiert werden.

Diese Materialien sind aufgrund ihrer optischen und elektrischen Eigenschaften interessant, die beide stark von der Partikelgr?sse abh?ngen. Sie werden bereits heute kommerziell als rote und grüne Leuchtmittel in LED-Fernsehern genutzt und als kostengünstige Alternative für aus L?sungsmitteln abgeschiedene Solarzellen gehandelt. Forscher haben herausgefunden, dass wenn man eine Schale aus bestimmten Atomen um die Oberfl?che der Nanokristalle legt, dann kann man die Leistung der Solarzelle verbessern. Bisher war unklar, wieso dies funktioniert. Der in ?Nature? publizierte Fachartikel erkl?rt nun, wie dies geschieht: Eine harte Schale von Atomen unterdrückt die Gitterschwingungen und deren Wechselwirkung mit Elektronen. Dies führt zu h?heren Fotostr?men und effizienteren Solarzellen.

Ihre Untersuchungen führten die ETH-Forschenden an der Schweizer Spallationsneutronenquelle am Paul Scherrer Institut (PSI) durch. Beim Beschuss der Kristalle mit Neutronen beobachteten die Wissenschaftler die Struktur und die Vibration der Atome in diesen winzigen Festk?rpern. Die Gitterschwingungen der Nanokristalle wurden auch mithilfe von Supercomputern am Nationalen Hochleistungsrechenzentrum (CSCS) in Lugano simuliert. ?Ohne Zugang zu diesen Grossforschungsanlagen w?re diese Arbeit nicht m?glich gewesen. In der Schweiz sind wir in der glücklichen Situation, solch einzigartige Einrichtungen zur Verfügung zu haben?, betont die ETH-Professorin.

Literaturhinweis

Bozyigit D et al. Soft surfaces of nanomaterials enable strong phonon interactions. Nature, Advanced Online Publication, 09 March 2016. DOI: externe Seite 10.1038/nature16977

Bozyigit D, Volk S, Yarema O, Wood V. Quantification of Deep Traps in Nanocrystal Solids, their Electronic Properties, and their Influence on Device Behavior. Nano Letters, 2013, 13 (11), pp 5284–5288. DOI: externe Seite 10.1021/nl402803h

Bozyigit D, Lin W, Yazdani N, Yarema O, Wood V. A Quantitative Model for Charge Transport, Trapping, and Recombination in Nanocrystal Solids. Nature Communications 6, Article number:6180 DOI: externe Seite 10.1038/ncomms7180

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